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Erlernen der Hüftsonographie

 

In den frühen 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts konnte die Sonographie nur auf der Stolzalpe erlernt werden. R. Graf führte mit großem didaktischen Geschick auch gepaart mit einer ihm eigenen „besonderen Strenge“ wöchentliche Kurse und später auch Ausbildungskurse durch. Ich selbst konnte nach meinem ersten Kurs im April 1984, den ich mit meinem Kollegen Klaus Braukmann besuchte, die Vertreter der kassenärztlichen Vereinigung in Dortmund entsprechend der damals gültigen Richtlinien von der Notwendigkeit der Untersuchung überzeugen, so dass die Leistung auch honoriert wurde.

In dieser Zeit habe ich sehr viele Kinderärzte in der Praxis, aber auch in Kursen in die sonographische Hüftsonographie eingeführt. Es war eine sehr gute Zusammenarbeit auch insofern als ich mich auf diese Kollegen verlassen konnte. Bei Schwierigkeiten z.B. in der Einstellung der Standardebene oder weiterer Fragen wurden mir die Bilder zugeschickt und anschließend telefonisch diskutiert. Wir haben gemeinsam davon profitiert.

1987 wurden fachliche und apparative Voraussetzungen in den Ultraschallrichtlinien von der kassenärztlichen Bundesvereinigung festgelegt. Auch wurde ein Kurssystem mit Grund- Aufbau- und Abschlusskurs mit zeitlich und inhaltlich festgelegten Auflagen auf den Weg gebracht, so dass eine gute und strukturierte Ausbildung erfolgte. Hinzu kam zur Abrechnungsfähigkeit noch eine mündliche Prüfung bei der kassenärztlichen Vereinigung, die ich damals bis 1988 abnehmen musste.

Aus welchen Gründen auch immer wurde 1988 das gut funktionierende Kurssystem bei den Kinderärzten und Radiologen verlassen und in die klinische Weiterbildung verlegt. Bei den Orthopäden erfolgte diese Entscheidung 1993, also 5 Jahre später.

Seither waren bei der KV keine Prüfungen mehr angesagt, und dieses „Unheil“ nahm seinen weiteren unglücklichen Verlauf!

Leider hört man zunehmend in den letzten Jahren aus vielerlei Diskussionen immer wieder:

  • dass keine Weiterbildung in vielen Kliniken stattfindet, oder nicht stattfinden kann, oder im Sinne des „bedside-teaching“ mit Potenzierung von Fehlern nicht ausreichend strukturiert weitergebildet wird. Wie sollten die Zahlen aus der KVWL sonst anders interpretiert werden, wenn der neu zugelassene Kollege bei der Initialprüfung keine sachgerechte Qualität liefern kann
  • dass in den Facharztprüfungen vorgelegte sonographische Hüftbilder kaum befundet werden können, und Kenntnisse über therapeutische Maßnahmen in einem hohen Prozentsatz nicht vorhanden sind, obwohl diese Kenntnisse vom Ausbildungsberechtigten (Chefarzt) mit exakter Angabe der Mindestunter-suchungszahlen bescheinigt werden
  • dass in den Qualitätssicherungskommissionen der KVen sehr viele Fehler registriert werden, die folglich eine Beurteilung des Hüfttyps nicht zulassen und gemäß § 11 Abs. 3 der Anlage V zur Konsequenz haben, dass die Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung von Leistungen der Sonographie der Säuglingshüfte ausgesetzt werden
  • dass bei den Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärzte-kammern entsprechende Beschwerden zunehmen
  • dass es innerhalb der DEGUM zwei Zuständigkeiten für die Sonographie der Säuglingshüfte gibt (was formal wohl nicht anders möglich ist), dass es leider aber auch unterschiedliche „Interpretationen“ aus pädiatrischer oder orthopädisch-unfallchirurgischer Sicht gibt
  • dass in den kinderorthopädischen Kliniken die Anzahl offener Einstellungen und Acetabuloplastiken und inzwischen auch Dreifachosteotomien erneut ansteigen
  • dass es selbst unter Orthopäden konträre Auffassungen zur Interpretation von Bilddokumentationen und besonders zur Wahl des der Pathomorphologie entsprechenden Therapieverfahrens gibt. So findet man selbst in neuester Literatur 2016 folgendes Statement

         

„Durch den Säuglingsultraschall können Hüftreifungsstörungen frühzeitig erkannt und adäquat therapiert werden. In der Literatur fehlt jedoch die Empfehlung für ein einheitliches Therapieschema. Unsere Hypothese war, dass ein Großteil der Luxationen erfolgreich konservativ mittels Spreizhose therapiert werden kann und nur in einem kleinen Prozentsatz operative Eingriffe notwendig sind.“

Dass infolge der Ultraschalldiagnostik Hüftdysplasien frühzeitig erkannt und therapiert werden können ist richtig. Dass in der Literatur einheitliche Therapieempfehlungen fehlen sollen, ist falsch. Gerade die Sonographie hat die anatomische Entwicklung innerhalb des ersten Lebensjahres exakt beschreiben können. Graf und viele weitere Autoren haben der Pathomorphologie entsprechend für die Repositions- Retentions- und Nachreifungsphase einheitliche Therapieprinzipien bereits vor langer Zeit mit sehr guten Behandlungsergebnissen entwickelt und mehrfach veröffentlicht.

Wir müssen alle darauf achten, dass die Erinnerung an die Schrecken der vorsonographischen Ära nicht ganz verblasst, damit - in Analogie zur „Impfmüdigkeit“-

die Notwendigkeit des generellen sonographischen Screenings, wenn eben möglich nach der Geburt (U2) in der Methode nach Graf, nicht in Frage gestellt wird.

In meiner damaligen Praxis in Dortmund, in vielen SONO-Kursen und der Arbeit in kleinen Gruppen habe ich sehr viele Erfahrungen sammeln können, vor allem, wie man es nicht machen sollte!!!

Die Ausbildung in der Hüftsonographie muss daher für Kinderärzte und Orthopäden erheblich verbessert werden. Wenn diese Ausbildung in den Kliniken nicht strukturiert erfolgen kann („bedside-teaching“), sind vor allem für diejenigen Kollegen, die diese Untersuchung durchführen möchten, unbedingt entsprechende Kurse von zertifizierten Ausbildern dringend zu empfehlen! Die Mehrheit der Kinderärzte führen derzeit im Rahmen der U3 die sonographische Untersuchung durch. Doch: Sind sie alle in der Beurteilung des Hüfttyps und gegebenenfalls mit der Einleitung sofortiger Therapiemaßnahmen absolut sicher?

                                                                                           

Alle sollten sich darüber bewusst sein, dass es sich jeweils um eine „finale Untersuchung“ handelt!