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Abtasttechnik in mehreren Stufen nach Graf mit Lagerungsschale und Schallkopfführungssystem

Vorwort

Sehr geehrter Herr Dr. Matthiessen,

bezüglich Ihrer Anfrage hinsichtlich des mir vorgelegten Protokolls hinsichtlich der Beschreibung der Untersuchungstechnik darf ich Ihnen mitteilen, dass die von Ihnen beschriebene Technik zum Standard der Hüftsonographie gehört. Sie entspricht dem Kursinhalt bei den Ausbildungskursen.

Leider führt eine Nichtbeachtung dieser Regeln oft zu katastrophalen Fehlern und Fehldiagnosen. Die Ursachen dafür sind, dass die Untersuchungstechnik oft als „Geschicklichkeit und Erfahrung abhängig“ eingestuft wird, was durch Studien eindeutig widerlegt wurde: Sie muss durch „drillmäßige“ Schulung, wie in Ihrem Protokoll, eingeübt werden.

Mit vorzüglicher Hochachtung,

R. Graf
Univ. Prof. Prof. h.c. Dr. med. univ. Reinhard Graf   Stolzalpe     A- 8850 Murau

 

Abtasttechnik

 

Historie

Einleitung und Kommentar

Im Laufe der Entwicklung der Säuglingshüftsonographie konnten Kenntnisse seit ca. 1980 nur von R. Graf auf der Stolzalpe erlernt werden. Nachdem allen interessierten Kollegen in den Kursen klar wurde, dass die Sonographie einen Einblick in den Entwicklungszustand des Gelenkes bereits postpartal zuließ, war diese neue Untersuchungsmöglichkeit besonders für die Orthopäden von besonderem Interesse, um spätere operative Eingriffe vermeiden zu können.

In den Vorsorgeuntersuchungen (U3) wurden die Hüftgelenke von den Pädiatern untersucht. Ich selbst lernte die „Hüftdysplasie“ in der orthopädischen Universitäts-klinik Münster nur als „Hüftluxation“ kennen, wenn mit Beginn des Laufalters Kinder ein- oder doppelseitiges Hinken zeigten. Es folgten dann operative Hüfteinstellungen. Häufig waren später noch Derotations-Varisations-Osteotomien (DVO) bzw. Pfannendachplastiken erforderlich, sodass die Kinder im „worst-case“ bis zur Einschulung etwa 6 Operationen hinter sich hatten.

Im Rahmen eines Sonderforschungsbereiches (SFB 21, Thalidomidembryopathie) habe ich in Münster experimentelle Untersuchungen an Wachstumsfugen durchgeführt, die später die von Graf empirisch gefundenen validen Ergebnisse aus histologischer und biomechanischer Sicht voll interpretieren konnten. Alle wissenschaftlichen Ergebnisse und weitere Erfahrungen haben dazu geführt, dass heute dezentrierte Hüftgelenke bei Behandlungsbeginn direkt nach der Geburt bis zum dritten Monat mit wenigen Ausnahmen vollständig ausheilen können. Darum plädieren wir dafür, dass alle Kinder postpartal (U2) untersucht werden, weil das Verknöcherungspotential in den ersten 6 Lebenswochen am höchsten ist, und in diesem Zeitraum eine konservative Therapie mit Einstellung in die „human position“ nach Salter zu sehr guten Ergebnissen führt.

Tönnis hat in einer Sammelstatistik aus der vorsonographischen Ära gezeigt, dass bei rein klinischer Diagnostik unter Berücksichtigung der Familienanamnese und sog. Risikofaktoren 54% pathologischer Hüftgelenke „übersehen“ wurden; das heißt, jede zweite pathologische Hüfte wurde nicht erkannt! Tschauner drückt das in einem kernigen Satz aus: „Rein klinisches Screening entspricht dem Werfen einer Münze („Kopf oder Zahl“)“.

Leider erfolgt derzeit aus verschiedenen Gründen innerhalb der Weiterbildungszeit nicht immer eine strukturell gute Ausbildung, weshalb die oben genannten operativen Maßnahmen operative offene Einstellungen, Acetabuloplastiken im Vorschulalter und später Dreifachosteotomien im Erwachsenenalter wieder vermehrt bekannt werden.

Auch in sehr vielen mir bekannten Gutachten der ärztlichen Haftpflichtstellen sind die Bilddokumentationen in den meisten Fällen nicht als „Hüfte nach Graf“ erkennbar. Insofern lässt sich leider keine Beschreibung des aktuellen Entwicklungszustandes (Hüfttyp) diagnostizieren. Notwendige konservative Therapiemaßnahmen unterbleiben dann leider!

Die Empfehlungen zur Abtasttechnik sind das Ergebnis aller vornehmlich in Kursen erfahrenen Fehler: dies insbesondere bei der Einstellung der Standardschnittebene. Die Einübung einzelner Stufen der Abtasttechnik mit Fingerhaltung, Blickrichtungs-änderung etc. sind nicht als „Pedanterie“ zu verstehen!

Glücklicherweise bietet sich mit der „Mnemotechnik“ ein Verfahren an, welches durch definierte systematische Übungsabläufe die Gedächtnisleistung optimieren kann. So werden alle afferenten sensiblen und sensorischen Erregungen nach und nach engrammiert, können abgerufen werden und modulieren via formatio reticularis und extrapyramidal-motorischem System die motorische Antwort. Nach einiger Übung ist das „Stufendenken“ nicht mehr erforderlich, weil sich die manuelle Schnittkorrektur automatisch einstellt.

 

Die Abtastschritte müssen am Phantom eingeübt werden
„Fahrschule“ und „Mnemotechnik“

 

Abtasttechnik hat nichts mit Erfahrung oder Geschicklichkeit zu tun,
man muss es nur richtig gelernt haben!!

 

Schallkopfführung ist unabdingbar, da sonst Kippfehler nicht beherrscht werden

 

 Technische Voraussetzungen

 

Untersuchungstisch, Schallen im Stehen!!

  • Lagerungsschale
  • Schallkopfführung
  • Lineartransducer 7,5 MHz und mehr
  • Fußschalter!!
  • Dokumentationseinrichtung, Digital oder Thermodrucker


Vorbereitung der Mutter mit klaren Worten

  • für ruhige Atmosphäre sorgen
  • die Mutter sollte bereits vor dem Untersuchungsraum die Windel ihres Babys ablegen und evtl. Popo säubern
  • Einbringen und Positionierung des Kindes in die Liegeschale, der Untersucher legt grundsätzlich selbst das Kind in die Liegeschale
  • Aufforderung der Mutter: legen Sie die Hand auf die Schulter des Kindes!

 

Beginn Abtastvorgan

  • Immer mit der rechten Hüfte beginnen


Handhabung des Schallkopfes, Fingerpositionen

  • In Seitlage Gel direkt auf die Haut oberhalb des Trochanters aufbringen (erbs- bis bohnengroße Menge reicht für beide Gelenke aus!), Gel nicht auf den Schallkopf aufbringen!


Fingerposition für die rechte Hüfte

  • Daumen, Zeige- und Mittelfinger gestreckt, nicht flektieren
  • Daumen berührt den Mittelfinger, Finger 4,5 gespreizt
  • Daumen und Mittelfinger berühren das Gel oberhalb des Trochanters mit flach aufgelegten Fingern “tasten“, nicht „drücken“!!
  • Tastgefühl des Trochanters am eigenen os zygomaticum fühlen und üben
  • die linke Handkante wird danach flach und vorsichtig auf den Oberschenkel gelegt, wobei durch leichte Innendrehung die Antetorsion des Schenkelhalses aufgehoben wird
  • dann wird der Schallkopf mit der rechten Hand zwischen Daumen und Mittelfinger von oben bis auf die Haut eingeführt, der Schallkopf drängt die Finger auseinander und wird so festgehalten, Finger nicht spreizen!
  • danach berührt die rechte Hand nur mit dem Zeigefinger den rechten Bereich des Schallkopfes, um bei Drehfehlern „locker“ korrigieren zu können


Fingerposition für die linke Hüfte

  • der Schallkopf wird nur vom Daumen und Zeigefinger fixiert.
    Finger 3,4,5 gespreizt.
  • danach mit rechter Hand weiter verfahren wie oben dargestellt.

Nun beginnt die eigentliche Abtasttechnik

Blickrichtung    =>    Monitor

  • zur Gelverteilung Schallkopf zügig nach proximal und distal verschieben, dabei den Hüftkopf bzw. den Unterrand des os ilium in die Mitte des Bildes einstellen
  • dann wird nur der Unterrand aufgesucht. Nicht zuerst die Schnittebene versuchen zu korrigieren, beide Hände bewegen den Schallkopf ruhig nach vorn und hinten jeweils wenige Millimeter über den Unterrand hinaus nach ventral und dorsal
  • Kommando:
  • vor – zurüück – vor – zurüück - kleiner – kleiner – kleiner – stopp
  • zur Konzentrierung nur auf den Unterrand sollte die kraniale Bildhälfte des Monitors mit einem Blatt abgedeckt werden
  • wenn sich der Unterrand gut darstellt, mit „vor-zurüück etc.“ das Bild einfrieren
  • bei eingefrorenem Bild in Ruhe überlegen, wo das Pfannendach angeschnitten wurde: in der Standardebene? zu weit dorsal ?, zu weit ventral ?
  • auf dem Bild in Winkelgraden abschätzen, wie weit die Schnittebene nach dorsal oder ventral verschoben ist


Blickrichtung    =>     Schallkopf

  • die Blickrichtungsänderung ist wichtig, um beim Nachdrehen in die richtige Richtung zu drehen (rechts-links-Lagerung unterschiedlich)
  • dann durch Drehen des Schallkopfes versuchen, den abgeschätzten Winkel zu korrigieren


Blickrichtung    =>     Monitor

  • in dieser Schallkopfposition erneut schallen und die „Drehkorrektur“ beurteilen
  • ist die Korrektur ausreichend, Schnittebene ruhig halten, bis sich das Labrum automatisch eingestellt hat, dann einfrieren
  • sollte der Unterrand nicht mehr sichtbar sein, erneut schallen, um den Unterrand mit „vor – zurüück etc.“ wieder darzustellen
  • dann gleicher Ablauf wie oben beschrieben

Danach folgt die anatomische Identifizierung und Brauchbarkeitsprüfung sowie erneut Drehfehler- bzw. Kippfehlerausschluss

 

 

TIPP:
Wenn die Abtasttechnik in mehreren Stufen mit Gelverteilung und Einstellung des Hüftkopfes in die Mitte des Bildes, die Blickrichtungsänderungen, das Aufsuchen des Unterrandes einschließlich Dreh- und Kippfehlerkorrektur gut eingeübt ist, sollte versucht werden, den Unterrand direkt unter die Kabelachse einzustellen (Unterrand in Bildmitte!). Während der Drehfehlerkorrektur bleibt der Unterrand dann an gleicher Stelle und verschwindet nicht mehr!

Die Zeit des Abtastvorganges wird deutlich verkürzt!!

Das alles funktioniert übungstechnisch recht gut am Phantom.

Leider können Kippfehler am Phantom nicht demonstriert werden.

 Häufige Fehler

  • krampfhaftes Festhalten des Schallkopfes
  • planloses Einmassieren des Gels in die Gegend des Trochanters in der Hoffnung, dass irgendwann eine Hüfte erscheint
  • immer versuchen, beim „Nachdrehen“ den Unterrand unter die Kabelachse einzustellen

 

Wenn Sie sich einmal zwingen könnten, diese Abtasttechnik zu erlernen, werden nach einiger Übung die Hände automatisch vom Auge geführt!!

Die Ciné-Funktion hat sich für die Hüfte nicht bewährt!!

 

YouTube: 

1. Sonographie der Säuglingshüfte - Professor Reinhard Graf

2. Lehrfilm: Sonographie der Säuglingshüfte nach Graf (Bonn)      (1 – 1.39 und 4.36 – Schluss)

3. graf-hipsonographie.com